Nach Mindo pilgern viele Touris, um wenigstens ein paar der 500 verschiedenen Vogelspezies zu hören, zu sehen oder zu fotografieren. Es werden noch immer unbekannte Arten entdeckt. Direkt auf der Äquatorlinie liegen Nebelwald und subtropischer Regenwald zwischen 1.400 m und 4.780 m nah beieinander. Nun soll die artenreichste Region der Welt mal zeigen, was sie zu bieten hat.
Die Begrüßungszeremonie beginnt mit REGEN. “Gut”, denke ich, “ohne Regen kein Regenwald und morgen ist auch noch ein Tag”. Und es fängt gut an. Beim Morgenyoga tänzeln Kolibris vor der wunderschönen Bergkulisse um mich herum. Da mittlerweile unser Bedarf an Wasserfällen und geführten Touren gesättigt ist, folgen wir einer Empfehlung aus den unendlichen Tiefen des Internets.
Auf einem großen privaten Areal (Yellow House) legte der Eigentümer Wanderwege an, die jeder gegen ein Entgelt nutzen darf. Ich bin gespannt, es geht los.
Die Ohren gespitzt und mit zusammengekniffenen Adleraugen suche im Dickicht nach den fliegenden “Spezies”. Mitunter sind die besten Sänger kleine unscheinbare Vögelchen.
Die mit dem bunten Gefieder setzen auf andere Methoden, um Weibchen anzulocken. Mich zum Beispiel. Ganz nah in der Baumkrone hockt ein Berg-Tukan. Dummerweise ist mein Fotoapparat 200m hinter mir beim Rucksackträger. So genieße ich den Moment ohne Knipserei. Drei Stunden schlendern wir über enge Pfade zu Aussichtspunkten durch den dichten Dschungel.
Plötzlich raschelt und kreischt es neben uns. Nein, leider kein Brillenbär oder Puma, aber ein ziemlich großer Vogel namens Hokkohuhn.
Unbedingt zu erwähnen, weil so beeindruckend, ist dieses Luxus Dschungelklo inkl. Toilettenpapier.
Und dann geben uns diese Vierbeiner Rätsel auf… Riesenmeerschweinchen, Hasen oder Kängurus?
Nein, sie nennen sich Agutis und sind ziemlich scheu.
Weiterfahrt
Warum den bequemsten Weg wählen, wenn abenteuerliche Bergstraßen auch zum Ziel führen? Irgendwann schenke ich Andreas ein T-Shirt mit dieser Aufschrift.
Den kürzesten Weg, der in der PAPIER-Landkarte eingezeichnet ist, kennt Google wieder mal nicht. Und so bemühen wir unseren Geländewagen durch ein dünn besiedeltes Gebirge.
Staub, Kurven, fragliche Weggabelungen, nicht vertrauenswürdige Brücken, Schranken, Nebel und riesige Schlaglöcher sorgen für eine Durchschnittsgeschwindigkeit von langsamer als Stehenbleiben.
Ganz klar, dass wir es heute nicht mehr bis zu dem schönen Kratersee schaffen. Also Schlafplatz suchen, Regenplane aufspannen, Essen kochen, ins Bett kriechen und morgen weiterfahren.
Unsere Reise führt uns zum 250m tiefen Kratersee Laguna de Quilotoa in der Provinz Cotopaxi durch wunderbare Landschaft.
Ich bin froh, dass ich mir in Bogota ein paar Fingerhandschuhe gekauft habe, es ist kalt hier, saukalt. Und unser Quartier noch kälter, da reichen auch nicht die drei Pferdedecken, unter denen wir wie einzementiert die Nacht verbringen. Als die ersten Sonnenstrahlen blitzen, können wir aufstehen. Die kalte Dusche wärmt meinen frierenden Körper auch nicht auf. Von wegen gleiches mit gleichem heilen. Also, liebe Sonne, wärme uns. Mit der Kamera und ein paar Frühstückssnacks machen wir uns für ein paar Fotos auf zum windigen Kraterrand. Im Dorf treffen wir auf farbenfrohe indige Frauen die mit Hut und Schal und dicker Wollkleidung bis zu den Knien gekleidet sind. Ich frage mich, ob das Feinstrumpfhosen oder nackige Beine sind, die da unten rausschauen. Mich frierts.
Angekommen am Kratersee.Von hier müsste man doch auch den Cotopaxi und die anderen Vulkane sehen, wir laufen und laufen. Eigentlich können wir ja auch die ganze Runde um den See weiter gehen. So ganz spontan mal eine Fünf-Stunden-Wanderung.”Komm, die Hälfte haben wir geschafft”, motiviere ich Andreas. Was ich nicht weiß, ist, dass uns noch ein steiler Aufstieg auf 3990 m bevorsteht, sagt zumindest das Navi. Auf dem Schild ganz oben steht 3940 m.
Die Tour ist atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes. Schnaufend und auf den Schottersteinen rutschend bietet der Kratersee mit seiner umliegenden Bergwelt immer wieder neue Perspektiven.