Durchatmen. Hier in den Bergen sind die Temperaturen angenehm. Ein kühler Kopf ist auch von Nöten. In einer Woche trennen sich unsere Wege: Ich fliege allein nach Bolivien und Andreas muss nach Hause. In 6 Monaten 24/7 teilten wir uns in die Aufgaben, die während einer Reise anstehen, ganz gut rein und das ist ziemlich bequem. Nun heißt es für mich Konzentration und die letzten 6 Wochen planen. Aber ganz ehrlich, in so herrlicher Landschaft hier lockt noch der eine und andere Ausflug und, schwuppdiwupp, war der Verdrängungsmechanismus eingeschaltet.
Laguna de Alegria
Zum Beispiel liegt hier in der Nähe ein weiterer Vulkansee. Ganz wie bei uns zu Hause ist natürlich über die Feiertage an solchen Hotspots alles gerammelt voll. Wir reihen uns auf der Schotterpiste in die Autoschlange ein. Andreas versprach baden zu gehen, wenn mindestens 3 andere Leute im Wasser sind. Abgesehen von der wenig einladenden Brühe konnte ich nur einen Badegast entdecken. Ein paar Sekunden später plumpste ein Zehnjähriger unerwartet ins Wasser. Ich strecke Andreas meine zwei Finger ins Gesicht. Fehlt nur noch einer … Insgeheim bin ich froh, dass es dabei bleibt. Man weiß ja nie, was in so einem Vulkansee für ein Giftgemisch drin ist.
Mit der Kraft eines Hundertjährigen
Um den Massen zu entfliehen, schlug Andreas eine längere Rundfahrt vor. Reflexartig rollen meine Augen nach oben. Abgelehnt! Okay, dann bis in die nächste Stadt unten im Tal. Aber eine Stadt ohne Menschen ist irgendwie auch nicht der Brüller. Klar, die anderen sind alle in den schönen Bergdörfern oder am See. Also verlassen wir die gähnend langweilige Stadt und wählen via Googlemaps einen anderen Rückweg.
Sich auf Googlemaps zu verlassen, kann hier in Mittelamerika in einer Robinsonade enden, denn die vermeintlichen Straßen entpuppen sich häufig als Kraterlandschaften. Das bekommen wir mit unserem kleinen Mietflitzer gerade so hin, auch wenn er aus manchem Loch kaum noch rausgucken kann. Unser Problem war die Steigung. Die steilste Straße in Deutschland hat 25,3% Steigung und ist asphaltiert. Ich könnte wetten, die, die hier vor uns liegt, hätte einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde verdient oder zumindest jene, die es hoch schaffen. Zurückfahren wären zwei Autostunden und zu unserem Hotel zu Fuß etwa eine halbe Stunde. Also alle Kraft voraus und Ballast abwerfen. Ich steige aus und schiebe. Nö, so geht das nicht. Wir tauschen. Ich gebe Gas, die Räder drehen durch, Andreas verschwindet im aufgewirbelten Dreck. Aber immerhin gelingen mir so Höhenmeter für Höhenmeter – im Zickzack. Bis irgendwann nix mehr geht. Wir sinnieren gerade über unsere Ausweglosigkeit, da kommt ein hundertjähriger Hirte munter den steilen Berg herauf gewandert. Ohne viel Worte bietet er seine Hilfe an. Wir bauen ein paar Steine hinter die Räder und beim sechsten Versuch bewegt sich unser Vehikel zur Abwechslung mal in die richtige Richtung nach oben. Ich bin froh, dass ich den Hundertjährigen nicht rückwärts überrollt habe. Vollgas. So weit ich komme. Andreas muss laufen.
Dann ist die Zeit gekommen.
Den allerletzten Tag nutzen wir, um unsere Klamotten auseinander zu fitzen und dem pazifischen Ozean bis auf lange Zeit Adios zu sagen.
Außer den Flug und die Unterkunft für die ersten Tage in Santa Cruz habe ich noch nichts geplant. Auf ins nächste Abenteuerland: Bolivien.