Bali oder Bolivien? Eigentlich wollte ich mit zwei Wochen Zwischenstopp in den Vereinigten Staaten weiter nach Bali, um dort ganz entspannt mein Sabbatical ausklingen zu lassen. Kurz vor der Flugbuchung erinnerte ich mich an meine Krankenversicherung, die überall in der Welt – nur nicht in den USA – gilt. Also dann doch Bolivien …
Nächtliches
Und so lande ich allein in der Nacht halb drei auf dem Flughafen der Millionenstadt Santa Cruz. Gähnende Leere. Unsere Maschine aus Kolumbien scheint der einzige Nachtschwärmer zu sein. Ein Taxifahrer schleicht am Eingang herum und fragt ausgerechnet mich nach meinem Ziel. Ja wen sonst, es sind keine anderen Touris da, die nach Geld aussehen. Aber genau letzteres brauche ich noch. Die ATMs (Bankautomaten) sind in der ersten Etage und freundlicherweise wartet mein Chauffeur so lange auf mich. Denn wie üblich funktioniert nicht immer gleich der Erstbeste.
Die Stadt schläft und besonders fest schläft mein Gastgeber. Bei der Buchung des Hostels hatte ich meine ungewöhnliche Anreisezeit mitgeteilt. Ich bin ich echt dankbar, dass mein Taxifahrer mit mir aussteigt und an dem unscheinbaren Eingang des Hostels ausharrt, bis ich in Sicherheit bin. Klingeln, Anrufen, Klopfen alles in Maßen – wir wollen ja nur eine einzige Person und nicht die ganze Straße aufwecken. Nach einer halben Stunde: Geräusche. Ich klebe mein Ohr an die Tür. Lichtschalter knipps, schlürfende Schritte, das Tor öffnet sich. Mit flüsternden Anweisungen tapse ich in den Schlafsaal und finde mein Bett. Ich bin gerade eingeschlafen und dann raschelt es neben mir. Es hört einfach nicht auf. Durch meine Augenschlitze sehe ich, dass sich die Tüte unter dem Nachbarbett nicht von Menschenhand bewegt. Ich denke „Ohhr neee, hier gibt’ s Ratten“. Drehe mich um, stopfe meine Ohropacks noch tiefer rein und lass nur einen kleinen Schlitz zum Atmen vom Schlafsack offen. Ich bin todmüde und schlafe weiter.
Ein paar Stunden später bin ich wieder unter den Lebenden. Nach einer kurzen Kennlernrunde mit meinen Zimmergenossen frage ich, ob sie auch das Rascheln in der Nacht gehört haben. Nein, niemand. Aber hier ist der Beweis. Unter dem anderen Bett liegt meine leicht zerfledderte Tüte mit Reiseproviant.
Beim Frühstück frage ich den Hostelbetreiber: „Tienes ratas?“ Er lacht. Mit Sicherheit nicht. Dafür sorgt unsere Katze, die schleicht sich auch manchmal in die Schlafräume. Dann hoffe ich im Stillen, dass die Katze keine Maus in meiner Plastiktüte gefunden hat.
Von Bolivien hatte ich bisher noch keinen Plan.
Also löchere ich im Hostel vor allem die, die in den nächsten Tagen nach Hause fahren. Mich interessieren ihre Erfahrungen und Tipps und ich habe den Eindruck, dass die Leute auch sehr gern über ihren frischen Reiseerlebnisse erzählen wollen. Dadurch habe ich gefühlt in der kurzen Zeit mehr Leute kennengelernt als auf der ganzen Reise zusammen. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass man als Alleinreisende auch mal quatschen will. Ich studiere Reiseführer, die hier rumliegen und plane meine Tour.
Es stellt sich heraus, dass ich nur ein Visum für 4 Wochen bei der Einreise bekommen habe. Um es zu verlängern, darf ich nun die Ausländerbehörde kennenlernen. Sie liegt gleich hier um die Ecke und hat zufällig heute geöffnet. Es läuft nicht anders ab, als bei unseren Behörden: Anstellen, Warten, Auskunft bekommen, Nummer ziehen, Warten, Warten, Warten, an den Schalter gehen, Fragen beantworten, Stempelchen bekommen und fertsch.
So ein Theater
Meine Mitbewohnerin ist Kolumbianerin und wegen dem internationalen Theaterfestival hier. Oh cool, ein bisschen Kultur kann mir nicht schaden. Ich wähle eine der kostenfreien Performances und habe wirklich null Ahnung was mich erwartet. Wir werden in einen leeren großen Raum geführt. In diesem Raum steht eine Badewanne gefüllt mit Glasscherben und aus diesen Scherben ragt ein Arm in die Höhe. Alle stehen drumherum. Die Vorstellung beginnt. Der Arm bewegt sich und beginnt Scherbe für Scherbe aus der Wanne zu schmeißen. Es scheppert – verstärkt durch Mikrophone. Nach und nach befreit sich ein nackter Österreicher, der an einigen Stellen echt blutet. Das ganze dauert anderthalb Stunden. Krass.
Ich muss jetzt erst mal was essen und finde ein Restaurant mit deutscher Küche. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie lecker Sauerkraut mit Bratwurst und deutsches Bier schmecken. Ich genieße jeden einzelnen Bissen. Verstohlen schaue ich zu den Nachbartischen, ob die meine entfleuchten Mmmmhs und Aahhs hören. Ich überschütte den Kellner mit Lob an Koch und Besitzer. Er meint dann zu mir, der sitzt dort am Tisch. Sie können es ihm gern selbst sagen. Und ob. So lerne ich nicht nur den deutschen Restaurantbetreiber, sondern auch den deutschen Bierbrauer kennen und plaudere mit ihnen noch spät bis in die Nacht.
Schön geschrieben!